Die Kaffeehaustäuschung

Auf den ersten Blick sieht dieses Muster ganz schön „schräg“ aus! Versucht man allerdings, den Winkel der Linien mit einem Geodreieck nachzumessen, kommt man auf das verblüffende Ergebnis „Winkel = 0°“! Alle Linien dieses Musters verlaufen parallel und exakt senkrecht bzw. waagrecht!

Bereits um 1890 beschrieb Münsterberg, dass bei ei

Die Kaffeehaus-Täuschungner bestimmten Anordnung heller und dunkler Rechtecke die geraden Begrenzungen plötzlich gebogen erscheinen. Er veröffentlichte daraufhin die Täuschung unter dem Namen „Die verschobene Schachbrettfigur“.

Die oben abgebildete Täuschung wurde nach einem Café aus dem 19. Jahrhundert in der Innenstadt von Bristol benannt, an dessen Fassade helle und dunkle Fliesen wie in der Abbildung rechts angebracht waren.

Die oben abgebildete Version der Kaffeehaus-Täuschung besteht ausschließlich aus blauen und gelben Rechtecken, die jeweils abwechselnd in einer Reihe angeordnet sind. Wichtig ist dabei, dass die Zeilen durch einen schmalen grauen Streifen voneinander getrennt sind.

Und hier unterscheiden sich die Kaffeehaus-Täuschung und dieMünsterbergtäuschung voneinander: während bei der Kaffeehaus-Täuschung ein grauer

Die Kaffeehaus-Täuschung Streifen die Zeilen trennt, verwendete Münsterberg schwarze Streifen. Diese scheinbare Kleinigkeit wirkt sich allerdings gravierend auf die Stärke der Täuschung aus. 
Wie kommt die Täuschung zustande?

Die Stärke der Illusion wird durch mehrere Parameter bestimmt:

Der Grad der Verschiebung der Rechtecke zueinander, die Dicke der Trennstreifen und die Helligkeit der Trennstreifen spielen eine Rolle. Am stärksten ist die Täuschung, wenn die Trennstreifen sehr dünn sind und deren Leuchtdichte etwa dem Mittel der Rechtecke entspricht. Auch die Betrachtungsweise wirkt sich auf die Täuschung aus: Betrachtet man die Täuschung aus den Augenwinkeln heraus (das Netzhautbild entsteht im peripheren Bereich der Netzhaut), ist die Täuschung stärker als wenn man das Muster direkt fixiert (bei fovealer Abbildung).30

Unser Modell der Kaffeehaus-Täuschung verfügt über einen elektrischen Antrieb, der verschiedene Verschiebungen der Reihen zueinander und dadurch unterschiedlich starke Illusionen ermöglicht.

Für die Illusion selbst ist unser visuelles System verantwortlich: Das System erfasst die horizontalen Kanten der Einzelrechtecke nicht als horizontal, sondern als leicht schräg verlaufend. Diese schrägen Einzellinien verschmelzen dann zu einer einzigen schräg verlaufenden Linie. Zur Entstehung der schrägen Einzellinien existieren mehrere Theorien, von denen allerdings bisher keine eindeutig bewiesen wurde.
Welche Theorien werden für die Entstehung dieser Illusion diskutiert?

Die Grundlage der Kaffeehaus-Illusion entsteht vermutlich in einem sehr frühen Stadium der visuellen Verarbeitung, nachdem die Kanten und die Helligkeitsdifferenzen identifiziert wurden – also vor den kognitiven Prozessen der Objekterkennung.36 Dafür spricht die massive Intensitätsänderung der Illusion bei Modifikationen des Musters, die den eigentlichen Informationsgehalt über das Objekt nicht ändern.36Auf dieser Ebene werden die horizontalen Begrenzungen eines dieser Rechtecke nicht mehr als horizontal, sondern als schräg verlaufend erfasst.

Münsterberg vermutete damals, dass dies auf den Effekt der Irradiation zurückzuführen sei – dass uns helle Flächen größer erscheinen als dunkle.36 Spätere Untersuchungen konnten diesen Sachverhalt allerdings nicht bestätigen.

Es wurden weitere Theorien zur Erklärung dieser Illusion entwickelt, darunter auch die folgende: Sie basiert auf der Grundlage, dass unser visuelles System verschieden scharfe Für unterschiedliche Ortsfrequenzen Details auf unterschiedlichen Kanälen verarbeitet. Die Gittersehschärfe, d.h. die maximal auflösbare Ortsfrequenz (Perioden pro Grad Sehfeld; eine Periode entspricht in einem Rechteckgitter einem dunklen + einem hellen Streifen) – spielt hierbei eine große Rolle. ergeben sich z.B. unterschiedliche Schwellen für die Kontrastempfindlichkeit, was auf verschiedene Verarbeitungskanäle hinweist.

Außerdem kann jedes Objekt rechnerisch

Blockrasterbildaus vielen verschiedenen Gittern zusammengesetzt werden, selbst scharfe Kanten können durch eine Summe von übereinanderprojizierten Gittern dargestellt werden; dabei gilt: je mehr hoheOrtsfrequenzen beteiligt sind, desto schärfer erscheinen die Kanten des Objektes. Wird ein Objekt auf diese Art in seine Ortsfrequenzen zerlegt, spricht man von Fourier-Analyse.

Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass eine hohe Sehschärfe mit einer guten Verarbeitung (Kontrastempfindlichkeit) für hohe Ortsfrequenzen verbunden ist, da diese für eine hohe Schärfe von Linien und Kanten verantwortlich sind.22

Führt man nun für ein optisches Objekt eine Fourier-Analyse durch und ermittelt dadurch den Ortsfrequenzgehalt, kann dieses Objekt modifiziert werden. Dies erfolgt in der Regel dadurch, dass bestimmte Ortsfrequenzen herausgefiltert werden, bevor die verbleibenden Ortsfrequenzen wieder summiert werden. Werden dabei die hohen Ortsfrequenzen herausgefiltert, spricht man von einer Tiefpassfilterung, während bei einer Bandpassfilterung Ortsfrequenzen eines bestimmten Bereiches eliminiert werden. Dadurch erhält man Informationen darüber, welche Gewichtung den einzelnen Ortsfrequenzbereichen bei der Verarbeitung durch das visuelle System zukommt.

Auch bei der Kaffeehaustäuschung wurden Versuche mit verschiedenen Filtern durchgeführt; Morgan

Blockrasterbild 2 und Moulden entdeckten 1986 bei einer Bandpassfilterung des Musters, dass die ursprünglich horizontal verlaufenden Begrenzungen der einzelnen Rechtecke nach der Filterung schräg verlaufen.36 1993 wurde von D. Earle und S. Maskell mit einem sog. Difference-of-Gaussian-Filter ein noch stärkerer Effekt erreicht.36 Von D. Marr und E. Hildreth wurde vorgeschlagen, dass diese Art des Filters relativ genau die frühen Stadien der Verarbeitung visueller Reize beschreibt.36

Die schrägen „Einzelkanten“ der Rechtecke werden dann auf den höheren Ebenen vermutlich durch die einfachen komplexen, orientierungsspezifischen Zellen in der Area striata des visuellen Cortex zu einer Linie verschmolzen – der Beobachter meint, eine diagonale Linie zu sehen.

Die Änderung der Illusion bei veränderter Breite des Zwischenstreifens hängt vermutlich mit der Reizkonstellation innerhalb der rezeptiven Felder dieser Cortexzellen zusammen.36 Da die rezeptiven Felder in der Peripherie der Netzhaut i.d.R. eine andere Ausdehnung haben als zentral, würde dies auch die Intensitätsunterschiede der Illusion bei unterschiedlichen Betrachtungsweisen erklären.
Literaturverweise:
22 Der Einfluss der Kontrastempfindlichkeit auf geometrisch-optische Täuschungen – B. Lingelbach – 1984
30 Ich sehe was, was du nicht siehst – J.R. Block/H.E. Yuker – 1993
36 www.illusionworks.com/htm/cafe_wall.html – 11.01.01; auch die Abbildung des Cafés stammt von dieser Internetseite
Autor: Prof. Dr. Bernd Lingelbach