von: Bernd Dörband
Unser Gesichtssinn hat die erstaunliche Fähigkeit, ein Objekt trotz unterschiedlicher Entfernung von uns in annähernd konstanter Größe wahrzunehmen. Das Phänomen heißt Größenkonstanz. Obwohl das Netzhautbild bei Entfernung des Objektes kleiner wird, korrigiert unser Gehirn die Wahrnehmung auf seine vermeintlich richtige Größe.
In der Wissenschaft ist das Phänomen „Größenkonstanz“ zum ersten Mal 1884 von dem Augenarzt Karl Emmert beschrieben worden. Es heißt deshalb auch Emmerts Gesetz.1
Das durch Untersuchungen bestätigte Gesetz lautet: Ein Objekt wird als größenkonstant wahrgenommen, wenn sich seine scheinbare Größe umgekehrt zur jeweiligen Entfernung verhält.
Auch die Umkehrung gilt: Ein Objekt konstanter Größe wird in einer proportional zur Entfernung steigender relativer Größe wahrgenommen. Die wesentliche Voraussetzung dazu ist die Anwesenheit weiterer Objekte bzw. einer Umgebung, die als Bezugssystem für die Entfernungsschätzung dient.
Letzteres ist Anlass für eine Reihe von optischen Täuschungen, in denen bekannte Objekte innerhalb des Bezugssystems in veränderte Tiefenpositionen geschoben werden, ohne die Größe anzupassen. Daraus resultieren Wahrnehmungen mit scheinbar übergroßen oder zu kleinen Objekten.
Bild1
Wir stören die Größenverhältnisse erheblich, wenn wir die hinteren Figuren ausschneiden und in eine scheinbar geänderte Entfernung entlang des Weges platzieren, wie im folgenden Bild gezeigt.
Die nach vorn geschobene Figur erscheint zu klein, die nach hinten geschobene riesig. Dabei haben wir ihre wahre Größe nicht verändert.
Zur Täuschung der Größenkonstanz eignen sich hervorragend zusammenlaufende Straßenbegrenzungen in Aufnahmen des Straßenverkehrs. Im folgenden Bild sehen wir den Verkehr auf der Central Park Traverse in New York City mit den typischen Yellow Cabs.
Für die Täuschung der Größenkonstanz haben wir das vordere Taxi ausgeschnitten und jeweils 2 Kopien in unveränderter Größe vor und hinter das Taxi gesetzt. Resultat: das hintere Exemplar hat sich zum Großraumfahrzeug aufgebläht, das vordere ist zum Kleinwagen zusammengeschrumpft.
Literaturverweis:
B. Lingelbach: Künstler und die Camera obscura, FOCUS 2015_5, 40-42, Spangemacher-Verlag